Dieser Text entstand im Mai 2023 – direkt nach meinem Klinikaufenthalt. Ich habe ihn bewusst, bis auf die Hervorhebungen, unverändert gelassen.
Ich bin wieder da.
Ich war eine Weile weg, und viele haben mir „schönen Urlaub!“ gewünscht, weil es genau die Zeit um meinen 45. Geburtstag herum war.
Ich habe nicht gesagt, wo ich hin wollte. Weil ich nicht diskutieren wollte, weil ich nicht wusste, was rauskommt, weil ich mir unsicher war und ja, weil ich mich geschämt habe.
So oder so. In den letzten Jahren, insbesondere in der Corona-Zeit, hat mein Alkoholkonsum zugenommen. Nicht übermäßig, „ich lieg in der Gosse“ Style, aber eben … merklich. Regelmäßig. Regelmäßig mehr, als ich wollte oder sollte.
Darüber hatte ich seit geraumer Zeit mit meinem Arzt gesprochen, dann kam der dunkle Winter, dann hatte ich wieder genug damit zu tun, selbigen zu überleben ohne größere depressive Phasen und dann …
dachte ich mir eines Tages „jetzt passt es, jetzt bist du stabil genug, jetzt gehst du es an, dieses Mal mit Hilfe von außen.“
Mein Arzt hat mir einen „qualifizierten Entzug“ empfohlen. Das ist unterm Strich Ausnüchterung/Entgiftung mit Begleitprogramm (Medizinische Info, Sozialpädagogische Begleitung, Sport, Ergotherapie etc.). Zeit: 10 Tage. Wartezeit: 2-10 Tage.
So, und das habe ich nun vom 1. bis 10. Mai gemacht.
Bevor jetzt einige ultrabesorgt sind:
Es ist alles gut. Ich bin, verglichen mit allen anderen Patienten, viel zu früh in die Klinik gegangen, sehr zur Verwirrung und zum Erstaunen des Fachpersonals. Ich kam mit 0,00 Promille an, hatte keine Entzugserscheinungen und brauchte keinerlei Medikamente, musste also nicht „entgiften“, sondern „nur“ mich erholen und lernen. Meine Blutwerte sind zu 99% tipptopp und das 1% lässt sich mittelfristig auch lösen. Meine Leber ist geschädigt – ein paar Narben krieg ich nicht mehr los, aber ich bekomme sie fit und gesund genug für den Rest meines Lebens ohne Einschränkungen.
Dadurch, dass ich so früh die Flöhe hab husten hören und was getan habe, habe ich die Chance, noch glimpflich aus der Sache rauszukommen. Ich bin im Kontakt mit meinem Arzt, wir machen regelmäßig Check-Ups, und ich stehe auf einer Warteliste für eine Therapie, um den ganzen Psychosumms der Vergangenheit mal anzugehen.
Ich habe mal die ICD-10 Kriterien für eine Alkoholabhängigkeit angehängt. Treffen 3 davon zu, kann man von selbiger sprechen. Mir wurde bei der Entlassung „nur“ Missbrauch bescheinigt, auf mich treffen/trafen nach meiner eigenen Analyse 2 der 6 Kriterien zu.
Wer sich im Bild wiederfindet und unangenehm berührt ist:
Alkoholsucht ist eine Krankheit. Da passieren Dinge im Körper, auf die hat man irgendwann trotz festem Willen und/oder Schamgefühlen keinen Einfluss.
Sich Hilfe holen ist keine Schande. Und es gibt erstaunlich viele Anlaufstellen / Hilfsangebote, nicht nur die (von mir nicht sonderlich geschätzten, und m.E. überbewerteten) Selbsthilfegruppen.
Es gibt eine Menge „take away messages“, die ich mitgenommen habe, eine der wichtigen davon war:
Alkohol ist ein Zellgift. Immer.
Passt auf euch auf!


Eine Antwort zu „Ich bin wieder da – Mein Absprung”.
[…] Text aus dem Mai 2025. Zwischen diesem und jenem liegen ziemlich genau zwei Jahre und darin 15 Monate […]
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